Der Vatikan hat sich im Vergabeverfahren der ICANN für die neuen generische Top-Level-Domains (gTLDs) um den Begriff „.katholisch” in arabischer, chinesischer, lateinischer und kyrillischer Schreibweise beworben. Im Vergabeverfahren hatte ICANN erst im Oktober die neue Regel aufgestellt, dass alle Bewerbungen für nicht lateinische Zeichen bevorzugt zugelassen werden. Damit genießen sie auch Priorität, gegenüber Städte- und regionalen Endungen wie .berlin und .ruhr oder allgemeinen Endungen wie .eco oder .family. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass die bevorzugte Berücksichtigung dieser nicht-lateinischen Bewerbungen im globalen öffentlichen Interesse sei.
Nutznießer dieser neuen Regelung sind 116 von insgesamt 1.930 beantragten neuen Endungen. Für viele der nicht-priorisierten Bewerber bedeutet das Vorziehen der IDN-Bewerber eine Verzögerung der eigenen Zulassung und damit einen wirtschaftlichen Nachteil. ICANN hatte für einen solchen Fall Gespräche mit benachteiligten Bewerbern angekündigt, um einen Ausgleich zu erzielen.
Die gTLD . 天主教 soll nun nach dem Willen von ICANN als chinesische Übersetzung von .katholisch auch die allererste der mehr als 1.000 neuen Endungen werden. Ist die Priorisierung der IDN-Endungen wirklich gerechtfertigt? Worin sich das globale öffentliche Interesse einer Top-Level-Domain „.katholisch” in chinesischen Schriftzeichen begründet, erschließt sich kaum.
Bessere Teilhabe am Internet durch IDNs
Die weitere Begründung der ICANN für die Priorisierung von „.katholisch” auf Chinesisch führt aus, dass diese Endung für Internet-Nutzer a) die Teilnahme am Internet verbessert und b) Inhalte besser zugänglich macht. Dies wird nach Erwartung von Domain-Experten kaum der Fall sein, denn schon heute betreibt der Vatikanstaat genau eine einzige Domain, nämlich vatican.va, obwohl er katholisch.va oder andere Domains betreiben könnte – übrigens links vom DOT auch auf chinesisch. Es ist anzunehmen, dass die zukünftig hinzukommende chinesisch-sprachige vatikan.katholisch dann einfach auf die chinesischen Inhalte auf vatican.va zeigen wird. Ausgeschlossen wird auf jeden Fall sein, dass chinesische Internet-Nutzer eigene Domains oder E‑Mail-Konten unter der chinesischen „.katholisch” betreiben oder nutzen können, hier hat der Vatikan genauso einen Riegel vorgeschoben wie bei vatican.va.
Einer IDN-Priorisierung können wir durchaus beipflichten. Allerdings trifft das angeführte Kriterium „öffentliches Interesse” allenfalls auf einen kleinen Bruchteil der IDN-Bewerbungen zu. Dazu gehören z.B. auf Bewerbungen für .WEBSITE (.网址), .ONLINE (.在线), .PUBLIC (.公益) oder .SHENZHEN (.深圳) als geographische Endung.
Tatsächlich ist größter einzelner Profiteur der IDN-Priorisierung der Domainmonopolist Verisign. Er beatragte insgesamt 12 Übersetzungen der von ihm betriebenen TLDs .com/.net. Auch die Betreiber der anderen großen gTLDs .info und .org haben entsprechende Bewerbungen abgegeben. Ferner finden sich rund 25 IDN-TLDs für Übersetzungen von Unternehmensnamen wie Samsung, Nokia, Google, L’Oreal, CIBC, Shangri-La und anderen, meist ins Chinesische. Den überwiegenden Teil der IDN-Bewerbungen machen allerdings rein kommerzielle generische Begriffe wie .gossip, .beauty, .iloveyou, .watches, .game, .jewelry oder .shopping aus. Dazu hat allein der Versandriese Amazon 11 IDN-Bewerbungen für die Übersetzungen von Begriffen ihrer Interessenfelder beantragt.
Viele Markenbewerbungen um IDNs
Zu dem kaum darstellbaren öffentlichen Interesse kommt hinzu, dass die überwiegende Mehrzahl der IDN-Bewerbungen geschlossene TLDs sein werden. Unter ihnen können Internetnutzer keine Domains registrieren. Dies ist beispielsweise die chinesische .book-Bewerbung von Amazon.
Benachteiligung von öffentlichen Communities
Benachteiligt sind durch die IDN-Priorisierung dagegen die tatsächlich im öffentlichen Interesse von Städten, Regionen und Staaten beantragten GeoTLDs. Denn sie haben allesamt für ihre Bewerbung zwingend die offizielle Unterstützung der betroffenen Gebietskörperschaft vorweisen müssen. Trotz vielfacher Forderung von Regierungsvertretern gegenüber ICANN wurde die von vielen in der ICANN-Community als sinnvoll erachtete Priorisierung der GeoTLDs ignoriert. Ohne dass dies bis heute begründet worden ist. Mit dieser Form der IDN-Priorisierung werden deutsche geoTLDs wie .bayern oder .hamburg de facto auf dieselbe Stufe gestellt wie kommerzieller TLDs wie etwa .casino, .sex und .ubs. Und dass eine von ICANN priorisierte .vermögenberatung mehr Wert für das globale Internet haben soll, erschließt sich weder Internetnutzern noch Regierungen.
Der Verdacht drängt sich auf, dass die vom neuen ICANN-Vorstandsvorsitzenden Fadi Chehadé vehement vertretene Priorisierung nicht-lateinischer Top-Level-Domains eher im politischen Interesse der US-Regierung liegt. Damit könnte sie ihre harte Position im ITU/WCIT-Verfahren mit Geschenken der ICANN an China, Russland und die arabische Welt kompensieren. Die von Chehadé angeführten Argumente scheinen jedenfalls angesichts des beschriebenen Ergebnisses wenig überzeugend. Dem neuen ICANN-Chef Chehadi mag man nachsehen, dass die Entscheidung für die politisch motivierte IDN-Priorisierung bereits vor Beginn seiner Amtszeit im Oktober gefallen zu sein scheint. Das Herabstufen der GeoTLDs gegenüber den IDNs ist damit vorerst wohl als Kollateralschaden für die lokalen Regierungen weltweit zu sehen. Es bleibt zu hoffen, dass mit diesem Opfer sowohl dem freien Internet als auch der Rolle der ICANN langfristig ein Dienst erwiesen wurde.