Am 11. September 2019 fand im Rahmen des XI. Internet Governance Forum Deutschland (IGF‑D) von 11:30 bis 12:45 Uhr ein Podium zur Infrastruktur der Zukunft statt. Der Untertitel lautete: „Internet der Zukunft: Alles vorhanden, wenig in Betrieb”.
Zu den Sprechern gehörten:
- Constanze Bürger, Bundesministerium des Innern für Bau und Heimat
- Peter Koch, DENIC eG
- Dirk Krischenowski, dotBERLIN GmbH
- Daniel Voelsen, Stiftung Wissenschaft und Politik
Die Moderation übernahm Monika Ermert.
Protokoll führte Natalie Kreindlina vom Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG).
Die Struktur ist da, aber es hapert an der Implementierung
Für DNSSEC (Domain Name Security Extensions) ist bereits alles an Infrastruktur vorhanden, jedoch ist diese sichere Struktur noch sehr wenig in Betrieb. Auch im interessierten Publikum meldeten sich nur vier Personen, die eine DNSSEC-Signierte Second Level Domain nutzen. Es gibt wenige Marktanreize für die Durchsetzung von neuen digitalen Infrastrukturen. Viele NutzerInnen bzw. Provider sehen keinen Sinn in der Etablierung von neuen Strukturen wie IPv6 und DNSSEC. So gilt „wer sich bewegt, verliert“ (Peter Koch, DENIC eG). Neue Strukturen sind häufig noch nicht ganzflächig etabliert, sodass ältere Geräte darauf nicht zugreifen können und z. B. Seiten nicht erreichbar sind (Beispiel NASA). Es muss Anreize geben, damit diese Strukturen allgemeingültig werden (z. B. dass Seiten ohne „https://” von Google durch eine niedrigere Suchmaschinenplatzierung bestraft werden).
Selbst Provider stehen nicht hinter der neuen Infrastruktur
Über die Webseite v6.de kann man herausfinden, ob IPv6 genutzt wird. Die Deutsche Telekom nutzt es schon, andere Provider wie Telefonica oder Vodafone noch nicht. Dabei ist v6 vor allem für Gamer, NutzerInnen von Smart Home und Verbindungen über ein VPN-Netzwerk sinnvoll. Wenn nicht mal Provider, die die Endkunden versorgen, hinter einer neuen Infrastruktur stehen, dann kann keine kritische Masse erreicht werden. Auch gibt es ein Übertragungsproblem, falls zum Beispiel auf der Arbeit eine andere Infrastruktur genutzt wird als zuhause und eine Übermittlung nicht reibungslos funktioniert.
Kritik: Missbrauch der Struktur
Einerseits fehlen die Anreize des Marktes (siehe Punkt 1), andererseits stellt sich aber die Frage (bei DNS-Systemen als alternative Security Policies), wer die Kontrolle über Endgeräte und Enterprise-Netze hat. Man muss unterscheiden zwischen technischem Missbrauch (Bot-Netze, Mahnungen, etc.) und Content Missbrauch (Urheberrecht). Bisher gibt es dafür noch keine richtigen Definitionen.
Regulierung ist nicht der Weg, eine Einführung muss iterativ geschehen
Bei der Einführung und dem Betrieb von IPv6 werden weltweit Erfahrungen gesammelt, insbesondere das Thema Sicherheit steht in der öffentlichen Verwaltung im Fokus. Constanze Bürger erklärte, dass in den Behörden sehr heterogene Infrastrukturen vorhanden seien, die nicht von heute auf morgen migriert werden können. So werde IPv6 in der Verwaltung schrittweise eingeführt: Das corenet des kommunalen Rechenzentrums der Südwestfalen-IT oder des Bayerischen Landesamts für Steuern (ELSTER) seien beispielsweise bereits vollständig auf v6 migriert. Andere Behörden seien erst am Anfang. Wichtig sei es, alle mitzunehmen und die Erfahrungen in die internet-policy-development-Prozesse zurück zu spiegeln. IPsec und DNSSEC würden ebenso in den Infrastrukturen des Bundes bereits genutzt. Für den Bund werde ein Masterplan zur Einführung von IPv6 im Dezember vorgelegt.
Mehr Beteiligung Deutschlands an den Standardisierungsprozessen
Vonseiten der öffentlichen Hand wird mehr Mitwirkung in den Internetgremien vorgeschlagen, nur so könnten langfristig unsere demokratischen Grundwerte erhalten bleiben. Jedoch wird durch Fragmentierung kein guter Standard erreicht, da es Uneinheitlichkeit fördert, jeder seinen eigenen Weg geht und gute Standards sich nicht von selbst durchsetzen können (Daniel Voelsen, Stiftung Wissenschaft und Politik). Es wird für einen Multi-Stakeholder-Approach appelliert, der laut Dirk Krischenowski (dotBerlin) bei ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) weltweit am weitesten für eine globale Regulierungsorganisation entwickelt ist. Das ICANN-Modell wird einerseits als positives Beispiel im Plenum gesehen, dennoch sei die Austragung über ICANN politisch nicht gut. Ein Standard müsse von den demokratischen Staaten ausgehen.