Ekke­hard Hay­ner im Inter­view mit dotBERLIN.

Ber­lin ist eine sozia­le Stadt und soll es auch blei­ben. Dar­über spra­chen wir im Febru­ar mit Diplom-Päd­ago­ge Ekke­hard Hay­ner, der schon 1995 als Sozi­al­ar­bei­ter zur Ber­li­ner Woh­nungs­not­fall­hil­fe dazu­stieß. Im April 2019 über­nahm der gebür­ti­ge Thü­rin­ger dann die Geschäfts­füh­rung der GEBEWO – Sozia­le Diens­te – Ber­lin gGmbH, die unter der .ber­lin-Domain www.sozial.berlin für eine sozia­le Stadt im Ein­satz ist. „sozial.berlin“ ist ein Ver­bund aus vier gemein­nüt­zi­gen Trä­gern der Wohnungsnotfall‑, Jugend- und Ein­glie­de­rungs­hil­fe; die gemein­sam Visio­nen für das sozia­le Ber­lin der Zukunft entwickeln.

Herr Hay­ner, was macht das sozia­le Ber­lin aus?

Ber­lin ist eine Stadt der Anteil­nah­me und der Soli­da­ri­tät. Das konn­ten wir bei der Auf­nah­me von geflüch­te­ten Men­schen aus der Ukrai­ne erle­ben und mer­ken es auch aktu­ell an der Hilfs­be­reit­schaft für Men­schen aus den Erd­be­ben­ge­bie­ten. Ich wün­sche mir für alle in der Haupt­stadt, dass Ber­lin so tole­rant und sozi­al bleibt, wie es ist sowie Platz für die unter­schied­lichs­ten Lebens­sti­le bie­tet. Mit unse­ren Pro­jek­ten för­dern wir des­we­gen sozia­le Begeg­nun­gen mit mar­gi­na­li­sier­ten Men­schen als Teil der Stadt­ge­sell­schaft. Wenn woh­nungs­lo­se Men­schen nicht nur tole­riert wer­den, son­dern wirk­li­cher Aus­tausch statt­fin­det – dann haben wir gemein­sam viel erreicht.

Wel­che Pro­jek­te sind Ihnen 2023 beson­ders wich­tig und was wol­len Sie damit in Ber­lin erreichen?

Zual­ler­erst soll das Pro­jekt Housing First, das unser Ver­bund­un­ter­neh­men Neue Chan­ce GmbH betreibt, aus­ge­wei­tet wer­den. Housing First ver­mit­telt woh­nungs­lo­sen Men­schen einen eige­nen Miet­ver­trag – ohne Vor­be­din­gun­gen. Um bis­her uner­reich­te Per­so­nen zu unter­stüt­zen, pla­nen wir mit Koope­ra­ti­ons­part­nern ent­spre­chen­de Neu­bau­ten: Zum Bei­spiel eine Senio­ren­wohn­an­la­ge, die auf die Bedürf­nis­se von älte­ren Men­schen in Woh­nungs­not zuge­schnit­ten ist, sowie ein Appar­te­ment­haus, das siche­ren Wohn­raum für woh­nungs­lo­se Men­schen bie­tet. In unse­rem Haus Schö­ne­wei­de, in dem woh­nungs­lo­se Men­schen mit see­li­scher Beein­träch­ti­gung leben, schaf­fen wir zwei zusätz­li­che Wohn­plät­ze und Ange­bots­flä­chen, indem wir das Dach­ge­schoss aus­bau­en sowie Bar­rie­ren im Haus ent­fer­nen. Um die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung woh­nungs­lo­ser Men­schen zu ver­bes­sern, arbei­ten wir seit Jah­ren mit ande­ren Trä­gern und nun­mehr auch mit der Senats­ver­wal­tung zusam­men. Wir hof­fen, dass wir damit 2023 deut­lich vor­an­kom­men, denn bei der Gesund­heits­ver­sor­gung woh­nungs­lo­ser Men­schen besteht noch erheb­li­cher Verbesserungsbedarf.

Ber­lin in fünf Jah­ren: Was soll sich durch Ihre Pro­jek­te – und all­ge­mein – bis dahin verbessern?

All­ge­mein hof­fen wir in Ber­lin auf eine Ent­wick­lung, mit der aus­rei­chend bezahl­ba­rer Wohn­raum über­all in der Stadt zugäng­lich wird, denn ohne die­sen lau­fen vie­le unse­rer Bemü­hun­gen ins Lee­re. Mit guten sozi­al­räum­lich ori­en­tier­ten Leis­tun­gen sol­len Men­schen, die unter see­li­schen Beein­träch­ti­gun­gen lei­den oder in Lebens­kri­sen ste­cken, die Mög­lich­keit der sozia­len Teil­ha­be erhal­ten. Ber­lin braucht dafür die sozia­le und kul­tu­rel­le Mischung in den Quar­tie­ren. Daher wol­len wir dazu bei­tra­gen, dass bun­te Quar­tie­re erhal­ten blei­ben. Sie sind gut für die Tole­ranz und ermög­li­chen Men­schen mit gerin­gen wirt­schaft­li­chen Res­sour­cen Teil­ha­be in vie­len Berei­chen. Außer­dem unter­stüt­zen wir die offi­zi­el­len Zie­le, bis 2030 die unfrei­wil­li­ge Woh­nungs­lo­sig­keit zu besei­ti­gen – auf EU-Ebe­ne und auch im Land Berlin.

Wir bli­cken auch in die­sem Jahr auf einen schwie­ri­gen Win­ter zurück. Wie haben Ihre Pro­jek­te beson­ders bedroh­te Berliner:innen unterstützt?

Im Win­ter 2022/23 gab es wie­der einen Bedarf von über 1.000 zusätz­li­chen Über­nach­tungs­plät­zen am Tag. Mit unse­rer Koor­di­nie­rungs­stel­le für die Ber­li­ner Käl­te­hil­fe küm­mern wir uns um die Akqui­rie­rung von Immo­bi­li­en für Men­schen ohne Woh­nung, damit genug Schlaf­plät­ze vor­han­den sind. In Ber­lin soll nie­mand erfrie­ren müs­sen. Im Hof­bräu Ber­lin am  Alex­an­der­platz haben wir zum Bei­spiel einen Tages­treff ein­ge­rich­tet, der noch bis Ende April Ver­pfle­gung, Bera­tung, medi­zi­ni­sche Hil­fe und war­me Klei­dung für bis zu 300 Per­so­nen pro Tag bie­tet. In der Berg­stra­ße in Ste­glitz betreut unser Ver­bund­un­ter­neh­men Neue Chan­ce GmbH eine Not­über­nach­tung für 30 Män­ner und Frau­en, die auch Hun­de auf­nimmt. Vie­le Woh­nungs­lo­se leben mit Hun­den zusam­men, die ihnen Halt geben. Für sie ist enorm wich­tig, dass sie ihre Hun­de mit in die Not­über­nach­tung brin­gen kön­nen. Zusätz­lich betei­li­gen wir uns am Netz­werk der Wär­me in meh­re­ren Ber­li­ner Bezir­ken mit wei­te­ren Aufenthalts‑, Ver­sor­gungs- und Beratungsangeboten.

Sie nut­zen die .ber­lin-Domain, um all Ihre Vor­ha­ben und Zie­le im Inter­net sicht­bar zu machen. War­um haben Sie sich für die Stadt-Endung entschieden?

Wir enga­gie­ren uns zwar auch mit Blick auf inter­na­tio­na­le Ent­wick­lun­gen, aber unser Fokus liegt auf Ber­lin. Wir füh­len uns Ber­lin per­sön­lich ver­bun­den – beglei­ten und gestal­ten die sozia­le Ent­wick­lung der Haupt­stadt schon sehr lan­ge. Wir sind seit ca. 4 Jah­ren unter .ber­lin im Inter­net zu fin­den, seit­dem wer­den mehr Berliner:innen auf unse­re Inhal­te und Pro­jek­te auf­merk­sam. Außer­dem bringt der Name „sozial.berlin“ auf den Punkt, was wir anstre­ben und ist eine grif­fi­ge Zusam­men­fas­sung der Inten­tio­nen aller im Ver­bund enga­gier­ten Personen.