Unser Redebeitrag zur kombinierten Anhörung des Medien- und Verwaltungsausschusses im Berliner Parlament am 06.06.2007:
Als Gründer und Geschäftsführer der dotBERLIN GmbH & Co. KG danke ich Ihnen für die Einladung und die Möglichkeit, Ihnen die Initiative für die Einführung einer Domainendung .berlin, auch Top-Level-Domain .berlin genannt, vorstellen zu können.
Vor über 2 Jahren sind wir mit einer kleinen privaten Initiative für .berlin gestartet. Wir haben damals gesehen, dass sich in der globalen Entwicklung des Internets zunehmend lokale Gegengewichte bilden. Die Nutzer suchen dabei zunehmend nach lokalen Angeboten, daraus resultiert auch ein Bedarf nach lokalen Internetadressen. Dieser Trend hat sich weltweit in den vergangenen Jahren verstärkt. Mittlerweile haben sich gut ein dutzend Initiativen für lokale TLDs etabliert, z.B. auch in Paris und New York.
- Inzwischen hat sich aus unserer Initiative ein Unternehmen entwickelt, das eine stattliche Anzahl renommierter Gesellschafter, hochkarätige Beiratsmitglieder und mehrere 100 Unterstützer gewinnen konnte. Zu diesen zählen u.a. der VBKI, die Handwerkskammer, mehrere Innungen, die BTM (Berlin Tourismus Marketing), Hotelverbände und Hotels, die Gelben Seiten, große Internetprovider wie STRATO, der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco sowie die DENIC und Vertreter der Internet-Nutzer. Auch die IHK hat ihre positive Haltung gegenüber .berlin bekräftigt.
- Der Unternehmensrahmen der dotBERLIN GmbH & Co. KG orientiert sich am Vorbild einer Gemeinschaftsorganisation, wie z.B. der genossenschaftlich organisierten DENIC. dotBERLIN ist für jedermann offen, jede Berliner Organisation und jeder Berliner und jede Berlinerin kann sich mit 100 Euro beteiligen. Die Gesellschafter werden einmal diejenigen sein, die .berlin betreiben und partizipieren an erwirtschafteten Überschüssen.
- Wir konnten zudem renommierte Berliner Unternehmen, die Vertrauen in uns in unsere Initiative haben, als Geldgeber für das Projekt gewinnen. Sie tragen gemeinsam mit uns Gründern dazu bei, die Bewerbungskosten von deutlich über 1 Mio Euro zu finanzieren. Das aufwendige Bewerbungsverfahren wird .berlin in das komplexe internationale und auch politische ICANN-Netzwerk einbinden, das garantiert, dass z.B. www.oper.berlin auch im entferntesten Winkel der Welt aufrufbar sein wird. Die nächste Möglichkeit eine Bewerbung für .berlin bei ICANN abzugeben, wird Anfang des Jahres 2008 sein.
- Im Rahmen des Bewerbungsverfahrens müssen wir dabei nicht nur die Richtlinien von ICANN erfüllen, sondern werden z.B. auch die Interessen anderer Städte und Gemeinden mit dem Namen Berlin berücksichtigen. Eine Unterstützung durch die Bundesregierung, den Berliner Senat und die Parlamente für .berlin ist im Rahmen des Bewerbungsverfahrens förderlich.
- Aus diesem Grund werben wir heute vor Ihnen als Berliner Abgeordnete um Unterstützung, auch im Namen unserer Gesellschafter.
- Uns ist es wichtig, die Zustimmung des Parlaments zu erhalten, denn es geht hier um Grundsatzfragen, die nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische Dimension haben. Von grundsätzlicher Bedeutung ist dabei, dass wir uns mit Ihnen auf Regeln verständigen wollen, die die Interessen des Landes Berlin bei der .berlin TLD berücksichtigen.
- In .berlin sehen wir und unsere Gesellschafter viele Chancen, vom Stadtmarketing über den Tourismus bis hin zu Identität und Kommunikation für uns Berliner und unsere Einrichtungen (z.B. mit www.abgeordnetenhaus.berlin). Obwohl .berlin kein Riesengeschäft sein wird, sind auch die wirtschaftlichen Aspekte nicht von der Hand zu weisen. So werden neue Portale wie www.hotel.berlin einige Mio. Euro an E‑Commerce-Umsätzen nach Berlin holen. Unser Unternehmen wird mit einigen 100.000 .berlin-Domains bereits in den ersten Jahren ebenfalls einen niedrigen Millionenbetrag an Steuermehreinahmen für das Land Berlin generieren.
- .berlin bietet aber auch die Chance, einen Namensraum von Grund auf zu gestalten und dabei die vielfältigen Interessen von öffentlicher Hand, Wirtschaft, Kultur, Bürgern und Anderen einfließen zu lassen. Eine solche Möglichkeit hat es bei .de oder .com nie gegeben.
- Dazu gehören vernünftige Richtlinien. Mit den von erfahrenen Rechtsexperten und dem dotBERLIN-Beirat erstellten Entwurf der Registrierungsrichtlinien kann eine transparente, diskriminierungsfreie und marktkonforme Vergabe von Domains gewährleistet werden. Dabei werden insbesondere auch Begriffe öffentlicher Stellen und andere Kennzeichenrechte berücksichtigt. Diese Begriffe werden wir den Stellen übrigens kostenfrei zur Verfügung stellen.
- Für ICANN stellen eine Vorabvergabe von Domains sowie Auktionen probate Mittel dar, damit ein neuer Namensraum sinnvoll gestaltet und eine intuitive und semantische Nutzung von Domains ermöglicht werden kann. Die neuen TLDs .mobi und .asia sind dafür gute Beispiele, hier wurden in der Vorabvergabe zahlreiche Begriffe vergeben, die für die Gemeinschaft relevant sind. Im Rahmen der Richtlinien für .berlin ist z.B. auch geregelt, dass zur Finanzierung des Projektes Gattungsbegriffe wie hotel.berlin oder kino.berlin in einem Ausschreibungsverfahren an einen geeigneten Betreiber vorab vergeben werden können.
- Die Registrierungsrichtlinien müssen darüber hinaus auch Domaingrabbing (also das massenhafte Bunkern von Domains zum späteren Verkauf) und anderen Missbrauch verhindern. Potentiell gegen die guten Sitten verstoßende Domains wie hitler.berlin oder porno.berlin werden z.B. von der freien Registrierung ausgenommen sein.
- Lassen Sie mich auch kurz auf die von der Senatskanzlei vorgetragenen Bedenken eingehen. In einer bundesweit beachteten repräsentativen Studie konnte gezeigt werden, dass Internetnutzer durch .berlin und andere neue TLDs nicht verwirrt werden. Auch wird von Internetnutzern mehrheitlich nicht angenommen, dass das Land Berlin der Betreiber von .berlin ist oder für Inhalte unter .berlin-Domains verantwortlich ist, ebenso wenig wie das der Fall bei .de ist.
- Dem ernstzunehmenden Bedenken bezüglich der potentiell konfliktträchtigen Vermischung von öffentlichen und privaten Interessen kann mit einem Kooperationsvertrag zwischen .berlin und dem Land begegnet werden, zumal ein privatwirtschaftlicher Betrieb von TLDs vom Gesetzgeber gewollt ist.
- Wir sehen vielmehr ein Risiko darin, dass Berlin seine Chance, weltweit als erste Metropole einen eigenen Namenraum zu besitzen, nicht nutzt und damit eine andere Metropole dieses neue Kapitel in der Internetgeschichte schreiben wird. Angesichts der Bedeutung des Internets kann das zu einem nachhaltigen Standortnachteil für Berlin führen, da andere Metropolen, mit denen wir uns messen müssen, ich meine da z.B. Paris und New York, in absehbarer Zeit über eine eigene TLD verfügen werden.
- Abschließend möchte ich noch einmal betonen, wie wichtig es für uns ist, Ihre Zustimmung zu erhalten und mit Ihnen über Rahmenbedingungen für .berlin zu reden.
- Konkrete nächste Schritte mit Ihnen sollten die Fertigstellung der Registrierungs-richtlinien sowie die Entwicklung eines Vertragsrahmens sein. Wünsche, Bedenken und Anregungen sollen in diesen Prozess selbstverständlich einfließen.
- Unter Federführung der SPD haben die Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundestag in einem Entschließungsantrag bereits bekundet, dass sie in TLDs für Städte und Regionen große Chancen für Deutschland sehen, die entsprechend zu fördern sind. Auch der Bund, der Deutschland im ICANN-Prozess vertritt, hat seine Zustimmung bereits signalisiert. Die zuständigen Stellen in der Bundesregierung sehen einen Rahmenvertrag mit dem Land Berlin als ein geeignetes Instrument zur Erreichung dieser Ziele,.Wir sind davon überzeugt, dass dies möglich ist.
- Um damit beginnen zu können, brauchen wir ein positives Signal von Ihnen.
- Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und stehe für weitergehende Fragen gerne zur Verfügung.
Weitere Experten die angehört wurden waren:
- Stephan Welzel – Justiziar DENIC eG
- Annette Mühlberg – Ver.di/ICANN-ALAC
- Andy Müller-Maguhn – Vorstand CCC/ICANN Direktor 2000–2002
- Prof. Christoph Lattemann – Uni Potsdam
Eine erste Zusammenfassung gibt es schon wenige Stunden nach der Anhörung unter http://www.heise.de/newsticker/meldung/90743