In der 12. Sitzung des Digital-Ausschusses am 2. Juli 2014, fand in Sitzungssaal JKH eine öffentliche Anhörung zum Thema „Internet Governance“ statt. In ihr ging es u.a. auch um neuen Top-Level-Domains ging. Als Experten, die von den Bundestagsabgeordneten befragt wurden, waren geladen:
- Dirk Brengelmann – Sonderbeauftragter des Auswärtigen Amtes für Cyber-Außenpolitik
- Dirk Krischenowski – Internet Society, German Chapter e.V. (ISOC.DE e.V.) dotBERLIN GmbH & Co. KG
- Prof. Dr. Wolfgang Kleinwächter – Professor für Internet Politik und Regulierung Universität Aarhus, Mitglied des ICANN, Board of Directors
- Prof. Michael Rotert – Vorstandsvorsitzender Verband der deutschen Internetwirtschaft – eco e.V
- Prof. Dr. Rolf H. Weber – Lehrstuhl für Privat‑, Wirtschafts- und Europarecht Universität Zürich
Materialien: http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse18/a23/anhoerungen/-/285058
Video und Zusammenfassung: http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse18/a23/kw27_pa_digitale-agenda/283232
Das 5‑minütige Eingangsstatement von Dirk Krischenowski lautete:
Sehr geehrter Herr Vorsitzende, sehr geehrte Damen und Herren Bundestagsabgeordneten,
Ich bedanke mich für die Einladung und die Gelegenheit, als Geschäftsführer bei der Top-Level-Domain .berlin heute für ISOC.de, dem German Chapter der Internet Society zu Ihren Fragen zur Internet Governance Stellung nehmen zu dürfen:
In den mit ISOC verbundenen Organisationen wie der Internet Engineering Task Force (IETF) und der Internet Research Task Force (IRTF) mit den Leitungsgremien Internet Architecture Board (IAB) und Internet Engineering Steering Group (IESG) sind unter einem Dach die zentralen Institutionen der Standardisierung und Forschung von und für die Internet Community versammelt.
Gemeinsam mit weiteren Gremien wie ICANN oder W3C bilden diese Organisationen in ihrer Gesamtheit das ab, was es außerhalb nationalstaatlicher und völkerrechtlicher Institutionen an Institutionen der „Internet Governance“ weltweit gibt.
Alle diese Organisationen werden von der gemeinsamen Überzeugung getragen, dass offene und transparente „Internet Governance“ unter Beteiligung aller Stakeholder eine wesentliche Bedingung für den Erfolg und die Weiterentwicklung eines freien Internets sind.
Wir meinen, dass sich das in den letzten beiden Jahrzehnten gewachsene „bottom-up Multi-Stakeholder-Modell“ grundsätzlich bewährt hat und auch weiter bewähren wird. Dieses Modell ist ein komplexes Wechselspiel unterschiedlichster Akteure, denn es fehlen – anders als bei staatlichen Institutionen – feste Hierarchien und klare Regeln oder gar Verfassungen.
Das ist im Bereich des Völkerrechts jedoch auch nicht anders. Im Gegensatz zu Verhandlung über völkerrechtliche Verträge zwischen Staaten, verlaufen die Verhandlungen in den Standardisierungsgremien des Internet, wie IETF oder ICANN, wesentlich transparenter und offener ab und bieten der Zivilgesellschaft mehr Mitsprachemöglichkeiten.
Echte Probleme oder gar Sicherheitsrisiken haben sich im Bereich der Internet-Regulierung in den vergangenen beiden Jahrzehnten in der Praxis keine ergeben. Alles, was wir dazu auch im Umfeld der Diskussion um die Überwachung der NSA erfahren, hat nichts mit mangelnder Governance des Internet zu tun, sondern betrifft vielmehr Bereiche, in denen die Staaten bis heute sehr weitgehende Kontrolle ausüben, nämlich bei der Infrastruktur des Netzes.
Das Fundament, auf dem das Internet läuft ist nämlich kein homogenes „Internetz“ sondern vielmehr Telekommunikationsinfrastruktur. Diese heterogene Telekommunikationsnetze werden von den unterschiedlichsten nationalen und internationalen Akteuren gestaltet, fortentwickelt und staatlich stark reguliert.
Und genau an dieser Telekommunikationsinfrastruktur setzt die legale oder illegale Ausspähung der Bürger oder Unternehmen eines Landes durch seine eigenen oder „befreundete“ Dienste an. Und eben nicht am Internet selbst.
Daher sind Vorschläge, die zu einem „Schengen Routing“ oder „Deutschlandnetz“ raten, verfehlt, ebenso wie die Vorstellung, dass durch eine Verlagerung der Regulierung auf zwischenstaatliche Institutionen etwas verändert werden könnte. In zwischenstaatlichen Organisationen und UNO-Gremien, wie etwa der ITU, haben demokratische Staaten kaum oder keine Mehrheiten, die sicherstellen könnten, dass der freie Fluss von Informationen, den wir heute im Internet so schätzen, zukünftig noch existiert.
Will man die zukünftige Sicherheit und Stabilität des Internet ausbauen, dann verdienen die existierenden Mechanismen und Organisationen des „Multi-Stakeholder-Modells“ mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung aller demokratischen Staaten.
Die Bundesrepublik sollte hier – im Vergleich zu anderen Ländern – noch mehr tun. In Deutschland und Europa haben wir kaum Unternehmen wie Google, Facebook, Apple oder Microsoft, die sich schon im eigenen Interesse für europäische und mittelbar auch deutsche Positionen einbringen. Daher würden wir mehr institutionelle Förderung empfehlen, damit unsere Akteure, auch die der Zivilgesellschaft, mehr Möglichkeiten bekämen, auf den internationalen Konferenzen Präsenz zu zeigen.
Zudem sollten Unternehmen aus Deutschland mehr politische Förderung im internationalen Kontext erfahren um sich besser gegen die Lobby anderer Staaten durchsetzen zu können, wenn man denn beispielsweise nicht möchte, dass eine Top-Level-Domain wie „.GMBH“ künftig von einem Unternehmen in den USA kontrolliert wird.
Zugleich heißt das aber auch, dass man sich selbst Vorschlägen enthalten muss, die eine Zersplitterung des Internets bewirken oder die unter dem Vorwand oder einem falschen Verständnis von Schutz und Kontrolle das beseitigen würden, was sie selbst zu schützen vorgeben: Die Freiheit und Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger.
Wer mehr Datensicherheit will, der muss die Verkehre selbst verschlüsseln oder denen, die dies tun wollen, helfen, wobei nur eine wirksame „Ende-zu-Ende” Verschlüsselung der Inhalte einen gewissen Schutz gegen Ausspähung bieten kann. Gesetzliche Verpflichtungen für ein regional begrenztes Routing dagegen wären weder effektiv, noch verhältnismäßig.